12. APRIL 2020

Gedanken am Ostersonntag

Ostern, das Fest explodierender Freude, in der Natur, im persönlichen Erleben, in der Familie. Wir sind es gewohnt, in der Familie und im Freundeskreis zusammen zu kommen, Ausflüge zu machen, musikalisch reich ausgeschmückte Festgottesdienste zu feiern, einfach mit anderen Menschen zusammen zu sein. Ich erinnere mich an eine russisch-orthodoxe Osternacht, als genau um Mitternacht Licht wie ein Blitz, durch alle aufgerissenen Türen und Fenster in die dunkle Kirche mit schnellen Schritten getragen wurde und die große versammelte Gemeinde in das „on deystvitel´no voskres – er ist wahrhaftig auferstanden“ einstimmte – ein unglaublich bewegender Augenblick.
Vielleicht sind wir  dieses Jahr viel dichter an der ursprünglichen Ostererfahrung? Denn Ostern heißt „Morgenröte“. Das Wort kommt aus der indogermanischen Sprache. Früh am Morgen, in der stillen Morgenröte, kamen zwei Frauen mit Namen Maria an das Grab Jesu und fanden es leer. Ungläubig erstaunt holten sie noch Petrus dazu. Es war eine sehr kleine stille Gruppe, die eine ihr Leben tiefgreifend umkrempelnde Erfahrung machte, konzentriert nur auf das Eine: die Begegnung mit dem auferstandenen Christus. „Er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden“ (Lukas 24,6a.34). Was hat diese unvorstellbare und völlig unerwartete Erfahrung mit ihnen gemacht?  Und was für eine Wirkung hatte diese Erfahrung für Millionen und Abermillionen von Menschen? Die Besucherinnen des Grabes und Petrus haben Mut bekommen, sie haben sich nicht mehr erschüttern lassen, sie konnten in steter Zuversicht leben, ja, ihr Leben wurde von einem tiefen Grundvertrauen getragen. Und ihr Verhalten und Reden wurde ansteckend. Das ist die Wirkung von Ostern, dem Fest der stillen Morgenröte.
Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Osterfest. Vielleicht entdecken Sie viel mehr Neues als Sie geahnt haben, vielleicht erwächst aus der Stille eine Kraft, die Sie bisher vermisst haben, vielleicht ergreift Sie eine Zuversicht, die in den letzten Tagen so schnell abhandenkommen konnte? Vielleicht werden Sie richtig froh und dankbar? Und können davon auch weitererzählen?
Das Glockengeläut schließlich, das in den ruhigen Ostertag hineintönt, könnte einen völlig neuen Klang bekommen, den Klang des: „Er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden“. Das wünsche ich Ihnen von Herzen.

 

 

Ihr

 

Klaus-Dieter Kottnik

 

 

Klaus-Dieter Kottnik ist Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe und Bundesvorsitzender der Bahnhofsmission.

 

Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@remove-this.bahnhofsmission.de