21. UND 24. MAI 2020

Gedanken zur Himmelfahrt und zur Woche nach dem Sonntag Exaudi am 24. Mai 2020

Selten war so viel Unsicherheit. Unsicherheit gebiert Phantasien. Und Unsicherheit macht wütend. Das können wir derzeit erleben. Auf den Straßen, aber auch bei den Menschen, die unsere Bahnhofsmissionen besuchen. Ja, auch bei uns selbst. War alles, was wir aushalten mussten, übertrieben? Wohin wird das Ganze führen? Kommt doch noch eine zweite Welle? Und war dann alles, was wir ausgehalten haben, gar nichts im Vergleich zu dem, was dann kommt?


Wir haben schon bisher mit viel Armut zu tun. Das ist gewiss: sie wird sich weiter verstärken. Aber was noch? Niemand kann heute mit Sicherheit vorhersagen, wie unsere Zukunft aussehen wird. Natürlich war das schon immer so. Aber so unsicher war es noch nie. Es wäre falsch, uns innerlich davon abzuschirmen, auch weil die Menschen, die zu uns kommen, von den Fragen und Themen genauso bewegt sind. Woher nehmen wir unsere Antworten?


Ich denke, wir müssen es aushalten, dass wir nicht Antworten auf alle Fragen haben. Jedoch haben wir eine Chance, mit unseren eigenen Ängsten umzugehen und die Gewissheit, die wir haben, auch in unserem Handeln und Reden wiederspiegeln zu lassen. „Ich weiß es nicht, aber ich lebe aus einem großen Vertrauen…“

Ohne Vertrauen konnten wir noch nie leben. Aber jetzt wird es uns besonders bewusst, wie Vertrauen unser Leben, unser Handeln und Reden bestimmt. Und was bei uns durcheinanderkommt, wenn es nicht da ist.
Himmelfahrt und Exaudi, das Vertrauen auf einen Fixpunkt außerhalb unserer selbst und das Hören darauf, sind eine Basis, auf die wir bauen können.

 

Christus sagt: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen“ (Johannes 12,32). Das erschließt sich nicht von selbst, das darf gehört und angenommen werden. Aber wer dann dieses Gezogen - werden spürt, hat einen verlässlichen Lebensgrund. Auch Jesus hat nicht alle Rätsel seines Lebens und Sterbens zu Lebzeiten lösen können. Aber er hatte ein Vertrauen, das ihn zu seinem Vater zog. Dieses Vertrauen kann auch unser Leben bestimmen. Denn Christus hat die Rätsel gelöst, sie sind bei ihm offenbar.

 

So bekommen wir einen Blick dafür, wo wir Menschen mit ihren Ängsten ernst nehmen, aber auch wo wir eine Grenze ziehen und nicht zulassen, dass mangelndes Vertrauen zu Menschenverachtung führt oder Menschen gar gefährdet werden können. Unsere Bahnhofsmissionen sind hotspots, an denen solches besonders erfahrbar wird. Wir können uns mit Gewissheit von dem auferstandenen Christus ins Vertrauen ziehen lassen, damit wir aus Vertrauen leben können.

 

Ihr

Klaus-Dieter Kottnik

 

 

Klaus-Dieter Kottnik ist Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe und Bundesvorsitzender der Bahnhofsmission.

 

Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@remove-this.bahnhofsmission.de