20. AUGUST 2020

Dachverband der Bahnhofsmissionen im Norden arbeitet Geschichte auf:
Buchveröffentlichung zur Bahnhofsmission Büchen in Kooperation mit der Abteilung für Regionalgeschichte der Uni Kiel

„Büchen – Tor zur Freiheit“ – so steht es auf einem Mahnmal auf dem Büchener Bahnsteig. Der Schriftzug erinnert an die Aussiedlertransporte von 1955-59. Über 247.000 Menschen reisten damals über Büchen in die Bundesrepublik ein. In Empfang genommen wurden sie von den Helferinnen und Helfern der Bahnhofsmission.Mehr... Kirchlicher Choral und Posaunenkapellen aus dem Umland gehörten bei jeder Einfahrt zur Willkommenszeremonie. Einfühlsame Gespräche trösteten über Orientierungslosigkeit und erstes Heimweh hinweg. Dieses Engagement bildete den Grundstein für die weitere Betreuungsarbeit an den Büchener Gleisen. Während der Ära der deutschen Teilung hatten die Türen der Bahnhofsmission rund um die Uhr geöffnet. Hauptklientel wurden die Interzonenreisenden aus der DDR.
Die karitative Betreuung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs umfasste neben Ausruh- und Verköstigungsangeboten auch Reisehilfen am Bahnsteig, praktische Ratschläge und seelsorgerische Gespräche. Viele Reisende aus der DDR planten ihren Weg bewusst über Büchen. Anhand reichhaltiger Quellenbestände der Kirchenarchive in Kiel und Lübeck konnte Jann-Thorge Thöming, Referent des hiesigen Dachverbandes der Bahnhofsmission, die Geschichte der Institution lebensnah dokumentieren. Er fand heraus, dass die Bahnhofsmissionen im intentionalen Schnittpunkt der Bonner Sozial- und Deutschlandpolitik lagen. Das Ministerium für innerdeutsche Beziehungen subventionierte die Einrichtungen mit mehreren Millionen DM. „Im Zuge einer systemantagonistischen Abgrenzungskonkurrenz zur DDR sollte das Hilfsangebot der Bahnhofsmissionen anziehend auf die ‚verhinderten Mitbürger‘ aus dem Osten wirken“, so Thöming.
Zudem ergab die Analyse von Stasiakten, dass die Grenzbahnhofsmission systematisch von der Staatssicherheit der DDR überwacht wurden. Ihre Betreuungsarbeit wurde als subversiv eingestuft und die Stasi warb gezielt DDR-Eisenbahner und einreisende Rentner als Inoffizielle Mitarbeiter an, um die dortigen personellen und organisatorischen Abläufe zu erfassen.
Für die Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte ist das Buch Bahnhofsmission Büchen. Ein Spalt im Eisernen Vorhang ein weiterer Mosaikstein. Es erscheint im Peter-Lang Verlag im Rahmen der Kieler Werkstücke Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte. Das Werk entstand auf Basis der gleichnamigen Masterarbeit des Autors. Zugleich bildet es als regionalhistorischer Referenzpunkt die Grundlage der vergleichenden Erforschung der übrigen Grenzbahnhofsmissionen in Niedersachsen, Hessen und Bayern, die nun ins Auge gefasst wird.
Herausgeber der Kieler Werkstücke ist Prof. Dr. Oliver Auge. Für den Inhaber des Lehrstuhls für Regionalgeschichte am Historischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist das Werk ein wichtiger regionalhistorischer Beitrag zur Aufarbeitung der deutsch-deutschen Vergangenheit und zum rezenten Wissenschaftsdiskurs über Bahnhofsmissionen allgemein. Gleichzeitig ist die Arbeit Ausdruck des hohen Niveaus der Ausbildung im Kieler regionalhistorischen Geschichtsstudium. Denn die Veröffentlichung einer Masterarbeit ist im bundesweiten Vergleich alles andere als der Normalfall. Das neue Buch verbindet die drei akademischen Missionen der Kieler Regionalgeschichte in mustergültiger Weise, indem sie das Ergebnis innovativer Lehre, exzellenter Forschung und des intensiven Wissenstransfers in die Gesellschaft darstellt.
Heinrich Deicke, Vorsitzender des Dachverbandes der Bahnhofsmission, sieht in der Veröffentlichung einen Glücksfall für die institutionelle Vergewisserung: „Das vorliegende Werk zeigt auf eindrucksvolle Weise nicht die jubelnden Bilder des 9. November 1989, sondern richtet den Blick auf die verschiedenen Facetten der zeithistorischen Bedeutung der Bahnhofsmissionen während der deutschen Teilung. Vor allem die Bahnhofsmission Büchen schaffte es, durch das besondere Engagement der dort tätigen Helferinnen und Helfer den ansonsten mit Bedrückung und Ängsten besetzten Grenzübergang zu einem Ort der Begegnung und der menschlichen Zuwendung werden zu lassen. Die engagierte Haltung der Helfenden der Büchener Station ist uns für unsere heutige Arbeit ein Beispiel.“
Bebildert ist das Buch mit bisher unveröffentlichtem Archivmaterial aus dem Fundus des Dachverbandes.

   

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