23. AUGUST 2020

Gedanken zum Sonntag, 23. August 2020

1. Petrus 5,5: Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.

 

Hochmut? Demut? Gnade? – Sind das Begriffe, in denen ich mich widerfinden kann?

 

Hochmut? „Nein, das ist nun wirklich nicht mein Stil. Ich protze nicht mit dem, was ich habe und was ich geworden bin.“


Demut? „Ich gehe doch nicht gebeugt durchs Leben!“


Gnade? „Brauche ich doch nicht. Ich stehe selber für meine Taten gerade.“

 

So, oder ähnlich denken wohl viele von uns und die meisten können auf den ersten Blick mit Begriffen wie Hochmut, Demut und Gnade wenig anfangen.


Selbstbestimmt und Selbstverantwortlich schreiten wir durch unser Leben. Zumindest möchte es uns so scheinen. Darauf basiert vieles in unserer Gesellschaft. Alles ist möglich. Jede/r kann alles aus eigenem Antrieb erreichen. Und hat es jemand geschafft, so ist dies Ausdruck seiner/ ihrer Schaffenskraft.


Umgekehrt aber gilt oftmals Gleiches. Und so wird dem Langzeitarbeitslosen immer auch der Unwille zum Arbeiten unterstellt. Der Obdachlose hätte bei der einen Weggabelung seines Lebens einfach etwas besser auf sich Acht geben sollen. Und insgesamt, „sollen die da am Bahnhof sich mal nicht so gehen lassen. Das ist ja nicht zum Ansehen.“


Auch an Krankheiten, so wird uns zunehmend von Fitness- und Gesundheitsaposteln glauben gemacht, sind wir in den allermeisten Fällen selber Schuld.


Vor diesen Prämissen blicken wir nochmal auf den heutigen Satz und entdecken: Es ist offensichtlich überhaupt keine neue Entwicklung, dass der Mensch alles in die eigene Hand nehmen will. Das er sein Schicksal ganz alleine bestimmen und sich so über die anderen Menschen erheben möchte. Bereits in den ersten christlichen Gemeinden vor 2000 Jahren sind derlei Entwicklungen scheinbar vorhanden gewesen, so dass es für Petrus notwendig war, seinen Leuten den obigen Satz zu schreiben.


Und auch heute, mit allen unseren technischen und vermeintlich zivilisatorischen Fähigkeiten scheint es dringender denn je geboten zu sein, sich selber zu hinterfragen, und das eigene Handeln einem kritischen Blick zu unterziehen:


Die Corona-Krise hat gezeigt: Mit einem Mal, von einer Woche auf die Nächste läuft unser Leben nach ganz anderen Spielregeln. Selbstverständliches und absolut sicher Geglaubtes wird plötzlich zum Besonderen. Der Handschlag oder die freundschaftliche Umarmung bei der Begrüßung wird vom Zeichen der Nähe und Offenheit zum möglichen Krankheitsbringer; Reisen und Begegnungen werden ausgesetzt, Veranstaltungen und Feste mit Verboten belegt und sogar Alltagsprodukte wie Toilettenpapier von einem Tag auf den anderen zum sprichwörtlichen „weißen Gold“.


Nichts liegt tatsächlich allein in unserer Hand. Bislang und im internationalen Vergleich darf man wohl sagen, können wir dankbar sein, wie sich die Corona-Pandemie in unserem Land entwickelt hat. Wenn es überhaupt etwas gibt, was an dieser Situation positiv ist, dann vielleicht, sie zum Anlass zu nehmen und unser Handeln vom hochmütigen Roß der Selbstbestimmung herunter zu holen und ein großes Maß an demütiger Dankbarkeit zu entwickeln für die Gnade, die wir tagein tagaus erfahren. Wir dürfen in einem so sehr mit Wohlstand genährten Rahmen leben. Wir sollten dies als eine Gnade begreifen, da dies nicht eine verdiente Errungenschaft ist, auf die wir ein Anrecht haben.


Wenn uns dies im Kleinen, wie im Großen gelingt, dann haben wir die Chance eine Gesellschaft zu gestalten, in der Platz ist für Menschlichkeit, Nähe und Hilfe.

Lassen Sie uns daran arbeiten, denn den Demütigen gibt er Gnade.


Ingo Grastorf

 

 

 

 

Ingo Grastorf

Zentrumsleitung

Zentrum Engagement, Demokratie und Zivilgesellschaft Berlin