125 JAHRE
BAHNHOFSMISSION

Bahnhofsmission. Einfach da. Seit 125 Jahren.

 

Die Anfänge

Im Herbst 1894 wird die erste Bahnhofsmission am Berliner Schlesischen Bahnhof (heute Ostbahnhof) gegründet. Der gemeinsame Auftrag und das Ziel, den in die Stadt zureisenden Frauen und Mädchen Schutz vor Ausbeutung und Missbrauch zu bieten, führen bald zum gemeinsamen Auftreten evangelischer und katholischer Bahnhofsmissionen, z. B. 1898 auf Plakaten in der Eisenbahn. Das gute Miteinander führt 1910 zur Gründung der heutigen "Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission in Deutschland" (KKBM), der ältesten ökumenischen Arbeitsgemeinschaft auf dem Gebiet der offenen diakonischen Arbeit

 

Die Hilfe für die reisenden Jungen und Männer übernehmen die christlichen Bahnhofsdienste, die aber später an Bedeutung verlieren und in den Bahnhofsmissionen aufgehen.

 

 

 

Der 1.Weltkrieg und die 20er Jahre

Nach dem 1. Weltkrieg kümmern sich Bahnhofsmissionen zunächst um zurückkehrende Soldaten, Flüchtlinge, amnestierte Strafgefangene sowie Auswanderer. In den Zeiten der Rezession werden die Bahnhofsmissionen zu wichtigen Versorgungsstellen für die notleidende Bevölkerung. Professionelle, hauptamtliche Mitarbeiterinnen werden eingestellt, die Zentralen schulen die ehrenamtlichen, fast ausschließlich weiblichen Helferinnen.

 

Die 30er Jahre

Anfang der 30er Jahre sind es hauptsächlich allein reisende Kinder, Landhelfer und arbeitslose Jugendliche, zu deren Schutz die Bahnhofsmission tätig ist. Mit der "Machtergreifung" durch den Nationalsozialismus beginnt der systematische Prozess der Gleichschaltung privater und öffentlicher Wohlfahrtspflege in die "Nationalsozialistische Volkswohlfahrt" und der sukzessiven Verdrängung der diakonischen Arbeit. Im Jahr 1939 wird die Bahnhofsmission vom NS-Staat verboten.

 

 

 

Die Nachkriegsjahre

1945 führen die Nöte der Nachkriegszeit die Mitarbeiterinnen der Bahnhofsmission aus der Vorkriegszeit schnell wieder zu ihrem Dienst auf den oft zerstörten Bahnhöfen. Viele Menschen sind unterwegs, Familienmitglieder suchen einander, Heimkehrer aus dem Krieg, Vertriebene und Flüchtlinge nehmen die Hilfe der Bahnhofsmission in Anspruch.

Die 50er Jahre

Ab 1949 beginnt die Hilfe für Interzonen-Reisende. Unter dem unberechtigten Vorwurf der Spionage für den Westen werden die östlichen Bahnhofsmissionen 1956 von den Behörden der DDR verboten und einige Mitarbeiterinnen inhaftiert. 

Die 60er Jahre

Ab 1960 kommen im Rahmen der EWG-Bestimmungen (Europäische Wirtschafts Gemeinschaft, Vorläufer der EU) ausländische Arbeitnehmer in die Bundesrepublik. Für sie und ihre Familien sind die Bahnhofsmissionen erste Adressen der Hilfe, besonders zu Zeiten, zu denen die Ämter geschlossen sind.
 
Ab 1964 erlaubt die DDR Rentnern einen vierwöchigen Aufenthalt in der BRD. Mit den Interzonenzügen kommen ältere Menschen, die oft ohne Hilfe und Information ihr Ziel nicht erreichen könnten. 

Die 70er Jahre

Einen ähnlichen Effekt hat die 1968 begonnene Werbung der Bundesbahn zur Förderung der Reisetätigkeit der älteren Generation. Viele Ältere brauchen die Hilfe der Bahnhofsmission. "Ohne Ihre Hilfe könnte ich gar nicht mehr reisen", heißt es einmal im Gästebuch einer Bahnhofsmission.

In der Rezession suchen zunehmend Arbeitslose die Hilfe der Bahnhofsmission. 

Die 80er Jahre

Die Bahnhofsmission nimmt sich der Aussiedler und der Asylsuchenden mit ihren Sprach- und Orientierungsschwierigkeiten an. Die erste Hilfe für wohnungslose Menschen am sozialen Brennpunkt Bahnhof stellt hohe Anforderungen.
 
Nach dem Fall der Mauer nehmen in den neuen Bundesländern sieben Bahnhofsmissionen spontan wieder ihren Dienst auf: Görlitz, Dessau, Halle, Magdeburg, Chemnitz, Berlin und Leipzig. Weihnachten 1989 feiern die beiden Berliner Bahnhofsmissionen (Bahnhof Zoo und Ostbahnhof) zum ersten Mal wieder zusammen.
 
Auch der internationale Dialog beginnt in den 80er Jahren: 1980 wird der erste Kontakt zu den Bahnhofsmissionen und -hilfen in der Schweiz und in Frankreich aufgenommen. 1986 findet auf Einladung der Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission in Deutschland die erste "Arbeitskonferenz für Nationalvertreter europäischer Bahnhofsdienste" in Neustadt / Weinstraße statt. Es folgen Konferenzen 1988 in Wien, 1990 in Dijon, 1992 in Barcelona und 1994 in Berlin.

Die 90er und die frühen 2000er Jahre

Die Privatisierung der Deutschen Bundesbahn führt in den 90er Jahren zu einer modernen, immer mehr an Marktkriterien orientierten Entwicklung des Bahnverkehrs. Bahnhöfe ermöglichen nicht mehr nur den Zugang zu den Zügen, sondern werden besonders in den großen Städen sukzessive zu Orten des Konsums ausgebaut. Andere Stationen werden mangels Rentabilität geschlossen. Betriebliche Abläufe, wie der Fahrkartenverkauf werden immer mehr technisiert, Automaten ersetzen Menschen und Personal wurde abgebaut.

 

Die Bahnhofsmission reagiert auf diese Entwicklung, indem sie ihr personelles Angebot für mobilitätseingeschränkte Reisende ausbaut. Die Ein- und Umsteigedienste werden qualifiziert und mobile Reisebegleitungen ergänzen seither das Angebot in den Bahnhöfen. Der 2003 gegründete Kinderbegleitdienst Kids on Tour bietet eine moderne Antwort auf eine steigende Zahl von Trennungs- und Scheidungskindern, die zwischen ihren Eltern hin- und herreisen.

 

Gleichzeitig wird die Bahnhofsmission zunehmend von Menschen als Schutzraum in Anspruch genommen, die dauerhafte Ausgrenzungserfahrungen haben und oft von anderen Hilfeeinrichtungen nicht mehr erreicht werden.  

2010 bis heute

Weil die Bahnhöfe und die umgebenden Quartiere vielfältige Anforderungen mit sich bringen, haben sich die Bahnhofsmissionen in den letzten Jahren in vielfältiger Weise sozialräumlich entwickelt. Stationen in den großen Städten sind dabei häufig weiter Anlaufstellen für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Die Gästestruktur hat sich verändert; trotz einer florierenden Wirtschaft bleibt soziale Ausgrenzung für viele der Gäste der Bahnhofsmission eine Dauerbelastung. Der Anteil der Gäste mit psychischen Erkrankungen steigt kontinuierlich und die wachsende Zahl von Gästen mit Migrationshintergrund weist auf eine zunehmenden Internationalisierung von Armut und Ausgrenzung hin.

 

Ihrem Grundverständnis der Offenheit für alle entsprechend bieten die Bahnhofsmissionen all diesen Menschen einen Schutz- und Gemeinschaftsraum und versuchen darüber hinaus immer wieder in kreativer Weise aktivierende Anreize zu setzen, um diesen aus ihrer Not zu helfen.

 

Besonders in kleinen und mittleren Städten geben die Bahnhofsmissionen mit einem Netz an stationären und mobilen Reisehilfen eine Antwort auf eine gleichzeitig mobiler und älter werdende Gesellschaft mit einer wachsenden Zahl von mobilitätseingeschränkten Menschen. 

 

Die Bahnhofsmission legt auch im 125. Jahr ihrer Existenz ein Zeugnis ihrer Lebendigkeit ab. Weiterhin inspiriert sie Menschen dazu, anderen Menschen unbürokratisch und auch außerhalb der üblichen Bürostunden mit Hilfen zur Verfügung zu stehen. Sie hat auf vielerlei Weise Leben bestärkt und bewahrt. Dabei weiß sie sich als "Kirche am Bahnhof" getragen vom Evangelium als der froh machenden Botschaft.

 

Die durchgängigen Kennzeichen der Bahnhofsmission bleiben die uneingeschränkte, gleiche Würdigung aller Menschen, Hilfe und Begleitung in Notsituationen, das ehrenamtliche Engagement vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ökumenische Miteinander sowie ihr besonderer Ort: der Bahnhof.