09. AUGUST 2020

Gedanken in der Trinitatiszeit

Immer mehr Leute glauben nicht mehr an die Gefährlichkeit einer Pandemie und halten auch nicht viel von den besonderen Regeln, die zu deren Bekämpfung ausgegeben worden sind. Wer kennt nicht Menschen, die das alles für fake oder Lüge halten, was uns da mittlerweile wieder täglich berichtet wird?

 

Sogenannte alternative Fakten oder auch Unwahrheiten haben auch in unserer Gesellschaft einen Stellenwert bekommen. Immer mehr Menschen ziehen in Zweifel, was offiziell gesagt wird. Und bis in hohe wirtschaftliche Kreise hinein wird es mit der Wahrheit nicht mehr so genau genommen, was die letzten wirtschaftlichen Skandale in unserem Land deutlich gemacht haben. Auf wen kann man sich noch verlassen? Auf wessen Worte kann man überhaupt noch bauen?


Wir leben tatsächlich in einer Zeit, in der man es mit der Wahrheit nicht mehr so genau nimmt. Und das führt zu einem Vertrauensverlust in unserer gesamten Gesellschaft. Hat man sich früher darauf besonnen, glaubwürdig zu sein, ist heute eher wichtig, glaubwürdig zu erscheinen, egal, was eigentlich Sache ist.


Diese Erscheinungen sind ein Zeichen einer zunehmenden Selbstbezogenheit von Menschen und auch einer insgeheimen Verachtung für andere Menschen. Ich soll und ich will wichtig erscheinen, ob ich tatsächlich gut und damit wirklich wichtig für andere bin, scheint nebensächlich zu werden.


Die Worte aus Epheser5, 8+9 fordern auf, innezuhalten: was ist mir wichtig, wie will ich sein? Sie sind eine Aufforderung: „Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit“. Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit sind Kennzeichen von Christen. Sie sind damit eine völlige Alternative zu dem, was immer mehr en vogue zu werden scheint. Und damit sind diese Aufforderungen eine Herausforderung für die eigene Existenz und damit auch eine Herausforderung für die, die mit Menschen zu tun haben, die danach leben.


Hinter diesen Forderungen verbirgt sich nichts anderes als die Ermunterung, anderen Menschen mit Offenheit und Ehrlichkeit zu begegnen. Das ist keine Schau, wo es nur um uns selbst geht, sondern ein aufrichtiges Interesse am Ergehen anderer Menschen. Und nur so kommt Licht in das Dunkel unserer Welt.
Es braucht Menschen, die diese Alternative leben und es braucht Menschen, die sich davon nicht abbringen lassen, selbst wenn sie dafür von anderen als dumm erachtet werden. Denn solche Menschen sind letztlich ein Licht, das Menschen Orientierung gibt, die sich nach anderen Verhältnissen sehnen. Und das sind letztlich viele Menschen.


Die Bahnhofsmissionen sind Orte, an denen sich das gut einüben lässt. Denn hier finden sich immer wieder Menschen ein, die sich nach Güte als Hinwendung, Gerechtigkeit als Achtung und Wahrheit als Respekt sehnen. Und wer sich darin einübt, denen wird auch die Kraft gegeben, so zu leben. Denn sie verspüren in sich ein Licht, welches das eigene Leben erhellt.

 

Klaus-Dieter Kottnik

Klaus-Dieter Kottnik ist Pfarrer der Württembergischen Landeskirche in Ruhe und Bundesvorsitzender der Bahnhofsmission.

 

Schreiben Sie ihm unter kd.kottnik@remove-this.bahnhofsmission.de